Die Historikerin ist Geschäftsführerin des Mahnmals St. Nikolai in Hamburg, das an die Zerstörungen und die Opfer der Bombenangriffe im Kontext des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges erinnert.

In #30 erzählt sie uns vom NS-Pferdesport.

Die Historikerin und Pferdeliebhaberin Nele Fahnenbruck vor dem Mahnmal St. Nikolai in Hamburg. Foto: privat

Nele Fahnenbruck ist aber auch eine große Pferdeliebhaberin und schrieb ihre Doktorarbeit an der Uni Hamburg zum Pferdesport im Nationalsozialismus, die Beteiligung der Reiter-SS an Kriegsverbrechen und die personellen Verflechtungen mit dem bundesdeutschen Reitsportverband. So mancher wollte die Veröffentlichung verhindern. Ohne Erfolg. Heute gilt ihr Buch als wichtiger Beitrag zu diesem bislang kaum aufgearbeiteten Thema.  

Drei Fragen – drei Antworten

Wie genau waren die Reiter in den Nationalsozialismus verstrickt?

Der nationalsozialistische Topos der „Volksgemeinschaft“ wurde ab 1933 erfolgreich in die pferdesportliche Praxis implementiert. Die Reitvereine passten sich oft vorauseilend und freiwillig den neuen Strukturen an, viele Reiter traten bereitwillig in die SS oder SA ein und beteiligten sich ab 1939 auf verschiedenen Ebenen an den Verbrechen der Deutschen im Zweiten Weltkrieg und auch am Holocaust. Nach dem Krieg blieben die Reiter weitgehend straffrei und unbelastet, in den Entnazifizierungsverfahren wurde die Zugehörigkeit zur Reiter-SS oft nicht berücksichtigt, da sie als turniersportliche Reitergruppe und nicht als Teil der Waffen-SS angesehen wurde. Die Nichtahndung der Reiter bei NS-Verfahren weist auf ein großes Desiderat hin, viele Reiter konnten im Nachkriegsdeutschland erfolgreich an ihre alten Karrieren anknüpfen, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen, dies zeigen meine Recherchen sehr deutlich.

Warum ist darüber heute so wenig bekannt?

Aus sozial- und gesellschaftsgeschichtlicher Perspektive ist der Pferdesport bislang wenig erforscht. Dass es auch Reiter waren, die im Zweiten Weltkrieg zu den mordenden Einheiten gehörten, dieses Bild ist für viele irritierend, Der Pferdesport ist ein traditionell elitärer Sport: Netzwerke, Seilschaften und Verflechtungen, Langlebigkeit und Kontinuitäten wirken hier. Dies erschwert eine kritische Aufarbeitung des Pferdesports im Nationalsozialismus, und auch die Quellenlage ist nicht einfach. Um an Quellen und Informationen zu gelangen, sollte der Weg auf jeden Fall in die Vereine führen, auch wenn man dort oft wenig oder gar keine Auskunft erhält.

Wie würden Sie bei der Recherche vorgehen?

Gerade bei so einem Thema sind natürlich Quellen mit regionalem Zugang wichtig, bei mir war es das Staatsarchiv in Hamburg, in anderen Fällen sind Landesarchive zuständig. Da kann man im Vereinsregister Akten einsehen, die man aber auch ergänzend im Vereinsregister des entsprechenden Amtsgerichts findet. Sie können Auskunft über einzelne Vereine geben, über die personelle Zusammensetzung, aber auch über Vereinsinterna wie Satzungen, Vorstandssitzungen oder die Mitgliederzahlen. Wichtig sind auch Stadtarchive, dort kann man z.B. in die jeweiligen Adressbücher von damals zu schauen.
Einen breiten Fundus an Archivmaterial gibt’s außerdem in den Standorten des Bundesarchivs: in Berlin, Koblenz und im Militärarchiv Freiburg.

Auf jeden Fall sollte man auch einen Blick in zeitgenössischen Periodika wie Tageszeitungen und Sport-Fachzeitschriften werfen, gerade für Pferdesportzeitschriften ist das Deutsche Pferde-Museum in Verden eine gute Anlaufstelle, die eine hippologische Bibliothek haben. 

Natürlich sind auch Dokumente von Privatpersonen wie immer ein großer Fundus, wenn man schon weiß, welche Personen im gesuchten Verein die Akteure waren. Aber auch Verbände haben manchmal noch einen Quellenbestand, wie bei mir zum Beispiel der Landesverband der Reit- und Fahrvereine in Hamburg.

Ebenfalls zu nennen sind die verschiedenen statistischen Jahrbücher, die dann zum Beispiel über die quantitative Entwicklung der Vereine oder auch deren Lage Auskunft geben können. 

Aber auf eines sollte man sich bei der Recherche auf jeden Fall auch einstellen: nicht alle Vereinsangelegenheiten sind über Archivrecherchen zu rekonstruieren. Wenn zum Beispiel ein Verein aufgelöst wurde, gab er nicht zwingend seinen Nachlass an Archive ab – und die Amtsgerichte haben im Allgemeinen eine auf zehn Jahre begrenzte Aufbewahrungspflicht von Vereinsregistern. Insofern wird man dort nicht immer fündig. Außerdem verfügen noch bestehende Vereine auch oft über kleine Archive oder andere interne Aufbewahrungsmöglichkeiten, die nicht zwingend nach außen gelangen. Oft lagern auch Bestände, die Auskunft über die Vereinsgeschichten geben können, bei Privatpersonen, die diese Informationen dann auch mit ins Grab nehmen, vielleicht auch ohne Kenntnis anderer. Also wären die Vereine an dieser Stelle noch mal ein wichtiger Türöffner, auch wenn ich eben die Erfahrung gemacht habe, dass nicht immer eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit besteht. Anfragen würde ich aber auf jeden Fall, manchmal hat man Glück!

Wenn ihr mehr …

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