Der Historiker und Archivar leitet das Referat MA 5 im Militärarchiv in Freiburg, das zuständig ist für die gesamte schriftliche Überlieferung der preußisch-deutschen Streitkräfte zwischen 1849 und 1949.

In #29 erzählt er uns von seiner Arbeit.

„Es gibt keine dummen Fragen“, meint Archivar Thomas Menzel vom Freiburger Militärarchiv. Foto: M.Longerich

Das Militärarchiv ist eine Abteilung des Bundesarchivs, dass die militärischen Überlieferungen Deutschlands seit 1867 erschließt und aufbewahrt. Und da kommt einiges zusammen. 55 Kilometer Akten deutscher Streitkräfte lagern hier in fünf Archivhallen: die der Bundeswehr und des Bundesministeriums der Verteidigung ebenso wie die des Ministeriums der Nationalen Verteidigung der DDR, der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen der DDR, der Preußischen Armee, der Kaiserlichen Marine, der Reichswehr, aber auch der Wehrmacht und der Waffen-SS. Besonders stark nachgefragt sind eindeutig die Unterlagen der Wehrmacht, speziell des Heeres, beobachtet Thomas Menzel. Zum Teil liegt das daran, dass eben auch heute ein Großteil der Anfragen, die heute bei ihm und seinem Team eintreffen, von Nachkommen ehemaliger Wehrmachtsangehöriger stammen. Daneben liegen hier die Personalakten der Offiziere und Beamten der Wehrmacht, wehrmachtgerichtliche Unterlagen aller Dienstgrade, Unterlagen zur Verleihung von Orden und Ehrenzeichen der Wehrmacht und die Krankenunterlagen von Soldaten der Geburtsjahrgänge 1802-1899.

Thomas Menzel ist Historiker und hat in Eichstätt, Regensburg und Wien studiert. Nach der Promotion absolvierte er beim Bundesarchiv die Ausbildung zum höheren Archivdienst, die zwei Jahre dauert und verschiedene Standorte des Bundesarchivs umfasst. Neben euren Anfragen beschäftigt sich Thomas Menzel mit der Digitalisierung seines Hauses, die schon ziemlich fortgeschritten ist, und auch damit, wie dann die aufbereiteten Unterlagen für die Öffentlichkeit sichtbar werden.

Drei Fragen, drei Antworten…

Welche militärischen Unterlagen speziell zur NS-Zeit kann man bei Ihnen finden?

Bei uns befinden sich die Unterlagen der preußischen und deutschen Streitkräfte ab 1849 (Marine), bzw. 1867 (Landstreitkräfte). Bezogen auf das Dritte Reich sind das also die Unterlagen der Wehrmacht und der Waffen-SS. Dabei handelt es sich zunächst mal um die amtlichen Unterlagen der militärischen Dienststellen, Verbände und Einheiten. Diese umfassen die amtlichen Kriegstagebücher mit ihren Anlagen (Korrespondenz und Karten). Zu diesen Unterlagen gehören vor allem Tätigkeits- und Gefechtsberichte, aber auch Einsatzbefehle und allgemein Verwaltungsunterlagen und vor allem der Schriftverkehr mit anderen Dienststellen, Verbänden und Einheiten. Die gesamte Tätigkeit bildet sich in diesen Unterlagen ab. Hinzu kommen personenbezogene Unterlagen der personalverwaltenden Dienststellen. Hierbei handelt es sich um Personalakten, Krankenakten und wehrmachtgerichtliche Verfahrensakten sowie Einträge in unterschiedlichen Personalkarteien zur Personalverwaltung, zur Verleihung von Auszeichnungen oder zur wehrmachtgerichtlichen Behandlung. Darüber hinaus kommen bei technischen Dienststellen noch Pläne und Technische Zeichnungen unterschiedlichster Art zu Grundstücken, Gebäuden, Schiffen, Flugzeugen und Fahrzeugen hinzu. Leider ist diese Überlieferung nicht mehr vollständig. Im 2. Weltkrieg kam es einerseits im Zuge von Luftangriffen zu großen Verlusten. Hiervon wurde vor allem die Überlieferung der Preußischen Armee betroffen, aber auch die Überlieferung des Heeres der Wehrmacht wurde schwer beeinträchtigt – durch die Vernichtung des Heeresarchivs beim alliierten Luftangriff auf Potsdam im April 1945. Hinzu kommen Schriftgutverluste bei den Verbänden und Einheiten an den Fronten. Beides führt dazu, dass unterhalb der Divisionsebene nur sehr wenig Schriftgut überliefert ist, aber auch generell die Schriftgutmenge ab Mitte 1944 stark abnimmt. Zu diesen kriegsbedingten Schriftgutverlusten kommen die erheblichen Verluste durch befohlene Aktenvernichtungen in der Kriegsendphase. So hat das Luftarchiv seine Überlieferung bis in die Endphase bewahrt, nur um dann in den letzten Tagen vor der Kapitulation fast alles zu vernichten. Die Überlieferung der Luftwaffe ist dadurch auf einen kleinen Rest beschränkt. Auch das Kriegsarchiv der Waffen-SS hat erhebliche Teile seiner Überlieferung vernichtet. Der Rest wurde von den Alliierten erbeutet und befindet sich seitdem in Prag. Daher ist auch die Überlieferung der Waffen-SS im Bundesarchiv stark reduziert. Die Kriegsmarine hatte ihre Unterlagen zur Vernichtung vorbereitet, der Verbrennung kam jedoch die Beschlagnahme durch die Alliierten zuvor. Dadurch verfügen wir heute über eine weitgehend intakte Marineüberlieferung. Schlussendlich kommen noch private Nachlässe von Soldaten hinzu. Alles in allem handelt es sich dennoch um ca. 14 km Regalfläche für die militärische Überlieferung bis 1945, davon ca. 9 km bezogen auf die Zeit 1919-1945. Hinzu kommen die sehr umfangreichen personenbezogenen Unterlagen bei der Abteilung PA des Bundesarchivs (mehrere Dutzend Kilometer).

Was brauchen Sie an Daten und Fakten, um möglichst viel über einen Wehrmachtsangehörigen rauszufinden?

Was wir zumindest wissen müssen sind Nachname und Vorname, idealerweise auch das Geburtsdatum um eine zweifelsfreie Identifizierung gewährleisten zu können. Alle weiteren Informationen, insbesondere ein eventueller Offiziersdienstgrad oder die Zugehörigkeit zu Heer, Luftwaffe oder Kriegsmarine reduzieren für uns den Suchaufwand, weil dann einzelne Karteien von der Überprüfung ausgeschlossen werden können. Einzelne Informationen können uns auch ganz gezielt auf bestimmte Karteien verweisen, etwa bei Flugzeugführern oder Lagerkommandanten oder auch allgemein bei Reserveoffizieren. Der Hinweis auf die Verleihung einer besonders hohen Auszeichnung lässt uns wiederum ganz gezielt in diesem Bereich suchen. Und schließlich ist die Mitteilung eines vermuteten oder belegten wehrmachtgerichtlichen Verfahrens entscheidend, weil wir dann gezielt diesen Überlieferungsbereich absuchen. Einzelne dieser Recherchestränge sind sehr aufwändig, sodass wir froh sind, wenn wir diese ausschließen können.

Viele suchende Enkelinnen und Enkel wissen nicht, wie man ein Archiv richtig nutzt. Haben Sie da Tipps?

Das ist ganz einfach: Eine Email an das entsprechende Archiv schicken, das Anliegen schildern und fragen, ob in dem Archiv relevante Unterlagen vorhanden sind. Im Falle der Abt. Militärarchiv des Bundesarchivs ist die vorherige Anfrage per Email (schriftlich geht auch, aber Email ist besser) von entscheidender Bedeutung, da die zuständigen Archivare erst einmal prüfen müssen, ob überhaupt Unterlagen zu dem jeweiligen Anliegen vorhanden sind. Eine ganz schlechte Idee ist es, einfach unangemeldet vorbei zu kommen. Da kann es passieren, dass man erst vor Ort erfährt, dass zum gesuchten Thema oder zur gesuchten Person nichts überliefert ist oder dass eventuell gar kein Platz im Lesesaal zur Verfügung steht. Viele Archive haben heutzutage auch die inhaltliche Erschließung ihres Archivgutes im Internet präsentiert – auch das Bundesarchiv. Daher kann man sich in der Regel (außer bei personenbezogenen Fragen) sehr gut auf unserer Internetseite und dort in unserer Suchmaschine Invenio vorbereiten. Zehntausende von Archivalien wurden auch schon digitalisiert und sind so auf Invenio einsehbar, wodurch manche Themen auch schon vollständig zuhause bearbeitet werden können.

Wenn Ihr mehr wissen wollt ….

  • an welchem Standort des Bundesarchivs welche militärischen Unterlagen liegen? Für Laien ist das manchmal schwer zu durchblicken. Hier gibt‘ s vom Bundesarchiv einen guten Überblick und hier ein paar Tipps zur Recherche von Militärangehörigen.
  • wie das Militärarchiv wurde, was es heute ist und wieso es überhaupt zu den unterschiedlichen Zuständigkeiten der einzelnen Standorte kam, sollte diesen Aufsatz lesen.