„Was bleibt von einem kurzen Leben? Seit meiner Kindheit ist der Stapel Feldpostbriefe in einer Schublade des Wohnzimmerschrankes und eine schwarz/weiß Fotografie in grünem Bilderrahmen vor meinem inneren Auge präsent. Das Bild zeigt meinen Großvater Richard Göbel und die Briefe stammen aus seiner Feder. Als er am 27. April 1945 am großen Zoo-Bunker in Berlin – Stunden vor Ende der Kampfhandlungen fiel – war er einen Tag zuvor 32 Jahre alt geworden. 1938 wegen regimekritischer Äußerungen in Haft, kam er 1940 zur Luftwaffen-Flak und Anfang 1945 zur Festungs-PAK – schließlich in den Berliner Süden nahe dem Flughafen Tempelhof. Verteidigung der Reichshauptstadt gegen sowjetische Eliteeinheiten.
Es begann mit Feldpostbriefen
Seit 20 Jahren erforsche ich das Schicksal meines Großvaters Richard. Seine Feldpostbriefe waren die Ausgangsquelle. Die Feldpostnummer der Briefe wiesen über Bibliotheken und Nachschlagewerke den Weg in die Luftwaffeneinheiten und wo diese stationiert waren. Dann war klar, wer in der Luftwaffe 1943 Dienst hat, hatte meist Kontakt zu Luftwaffenhelfern. Diese waren oft regional eingesetzt. Aufrufe in Tageszeitungen und Vertriebenenblättern folgten, es kam zu ersten Treffen mit damals 77- und 78-jährigen Männern. Bilder, Briefe, Erzählungen. Mein Großvater wurde wieder lebendig – 60 Jahre nach dem Krieg!
„Sie müssen Ihre Forschungen aufschreiben!“ Das hörte ich von jenen Männern oft. „Meine Kinder interessiert das Alles nicht!“, war ein oftmals zitierter Satz! Die Forschungen wurden in der Folge breiter. Was hatte der Großvater als Theologiestudent seit 1934 eigentlich erlebt? Die Gestapo-Akte tauchte auf, die Bekennende Kirche wurde transparent. Schließlich die Frage: Kann man den Nationalsozialismus ohne Weimarer Republik und Kaiserreich verstehen? Was ist eigentlich Deine ureigene Familiengeschichte?
Leben im Brennglas der Geschichte
Mein wesentlicher Fokus ist die Epoche 1890 – 1945, zentrale Figur ist mein Großvater Richard Göbel (1913 – 1945). Seine Lebensspanne ist das Brennglas deutscher Geschichte und Mittelpunkt meiner Erzählung.
Das Projekt ist inzwischen weitläufig, ungeschnitten schon 1.500 Seiten dick – und hat seine eigene Webseite. Gerade die Parallelen der Vergangenheit zur heutigen Zeit erschrecken schon. „Wehret den Anfängen!“, ist leicht gesagt, anscheinend nicht einfach zu erinnern.“